2009-12-10

nicht eine rezension. fast so veröffentlicht. (delphic - acolyte)

[INDIE magazin No 25]

oh oracle, my oracle

O tempora – wäre das zeitgenössische Manchester ein bisschen wie das alte Griechenland – o mores – dann besäßen Delphic ihrem Namenspatron-Orakel gemäß bestimmt eine eigene Erdspalte mit dazugehörigen hypnotisierenden Gasen und dienten beflissen Apoll, dem Gott der Künste. Doch traditionellerweise beschwört man in ihrer Heimatstadt erfolgreich Musik, keine Dämpfe. Und so scharen sich um die drei Herren ganz ohne magisches Erdloch kunst-affine Horden von Macunians, Arme und Haupt berauscht zu ätherischem Electro-Rock schwingend. Aus frühen Indie-Pop-Tagen behalten Rick, Matt und James ihre Band-Aufstellung und immer wieder aufbrandend emotionalen, griffigen Gesang bei, siedeln sich aber in elektronisch-sphärischen Gefilden an. Die Gitarre wird als Synthesizer neu entdeckt – Rick: “The guitar is dead, long live the guitar“ – und Konzerte wie DJ-Sets ohne Unterbrechungen bestritten. Auch für den künstlerischen Tiefgang bedarf es keiner geologisch-tektonischen Voraussetzung: Delphic bearbeiten in bescheidener Selbstverständlichkeit große, existentialistische Fragen, diskutieren über Sartre, Camus und Rothko, und experimentieren besonders enthusiastisch mit dem Medium Film. Apoll gefällt's. In fein abgestimmten, harmonischen Wellen präsentiert sich ihr klassisch, edler Kopfnick-Electro auf dem Debutalbum Acolyte mal in rockiger Dynamik – dann dampft es ordentlich aus allen Spalten – und mal in minimal Trance. Wenn man bei diesen drei Herren monoton-hypnotische Wiederholungen als Transzendenz und Beats als letzte Realitätsrestbestände auslegt, ist daran wirklich nichts herum-orakelt: Den elektronischen Kunstphilosophen ist schlichtweg einfach zuzutrauen, dass sie metaphysische Deutungen in ihre Musik einschreiben und Plattitüden anderen überlassen.

„Acolyte” erscheint am 22.01.2010 auf Kitsuné / Cooperative Music / Universal.

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