2010-06-22

nicht comi(s)c(h) - teil 1

weil das blut konzept (hier) so lang und punktlos war:
nicht comi(s)c(h) - teil 1

sound 1 - panel 1 | sound 2 - panel 2 | sound 3 - panel 3
- für begleitsound bitte klicken -


genauso veröffentlicht (peggy sue - fossils and other phantoms)

[INDIE magazin No 26]

AVAST! PEGGY … WHO?
Wenn das Eis schmilzt und die Schiffe im Hafen losgebunden werden, bringt uns eine frische Brise lyrische Seemannsweisen von Peggy Sue. Die Dreiermannschaft weiß Fabeln zu erzählen so geschichtsträchtig wie wettergegerbte Haut, morsches Holz und „Fossils and Other Phantoms“ – dabei ist ihr Debütalbum mit diesem Titel frisch wie eine gerade gefangene, noch zappelnde Dorade. Ob Schifferklavier, Ukulele oder Glockenspiel, im Ringelreihen werden Instrumente ausgetauscht, und in ritueller Ernsthaftigkeit werden Tamburin, Waschrumpel und Wasserflaschen-Kickdrum bearbeitet. Die Stimmen der Sirenen Katy Young und Rosa Slade steuern sicher durch die See, manövrieren mühelos in schwierigen Quarten und Quinten an scharfen Klippen vorbei. Ihr Gesang ist wie ein windzerzauster Bart, verwoben, verknotet, manchmal hakt und ziept es, aber gerade dieser Filz ist besonders schön. Voller Soul rufen sie die Frohbotschaft „my mama, she gave me these lungs“ in alle Welt. Wunderbar kehlige Leads von Rosa, verschliffene Rhythmen und untergründiges Wiegenlied-Schwanken in den Melodien – all das zieht auch der standhaftesten Landratte den Boden unter den Füßen weg. Und wenn wir jetzt ein paar Metaphern über Bord werfen, Augenklappe und Holzbein ablegen dürfen – die Drei haben mit der Streichung von „and the Pirates“ aus dem Bandnamen zuletzt auch symbolisch ihre aufmüpfigen Piraten vertrieben: Deutlich sind sie in jahrelanger musikalischer
Selbstorganisation herangereift, haben den sicheren Hafen chaotisch-verschrobener Naivität und kindlich-ironischen Songwritings verlassen und schreiben jetzt folkige Balladen direkt durch Mark und Bein. Nachdem sie lange bloß Geheimtipp waren, sind sie mit Wichita Recordings endlich auf internationalen musikalischen Gewässern unterwegs. Offiziell ist das erst ihre Album-Jungfernfahrt. Arrrr.

„Fossils and Other Phantoms“ erscheint am 5. April 2010 auf Wichita Recordings.

2010-06-17

holy s(h)eat!

Marina Abramović, The artist is present,
Foto von Marco Anelli, 2010


vor einigen nächten wach liegend hätte ich mich lieber zeitlich ver-setzt hinge-setzt gehabt. und zwar in die monate märz|april|mai: da hatte das museum of modern art in new york city nämlich einen sitzen: marina abramović - und zwar insgesamt 736 stunden und 30 minuten lang.

Marina Abramović, The artist is present, Day 40|18|55, 420 Min
Fotos von Marco Anelli, 2010

rückblende: schweigend und fast unbewegt sitzt abramović von morgens bis abends in langen, dicken wollroben gegen die absinkende körpertemperatur auf einem einfachen holzstuhl. auratisch, madonnenmantelfarben. mitten in new york city in klausur. ihr gegenüber ein zweiter stuhl, auf dem ihr tag für tag ein individualisiertes moma publikum gegenüber sitzt. immer eine/r, ohne zeitlimit, zumeist abramovićs position reflektierend. medieninteresse und publikum bedingen natürlich selbstdarsteller (und vips wie yoko ono, sheron stone, björk oder lady gaga - die nicht saß). dennoch: der großteil ist mehr oder weniger genuin bewegt [oder - auch ganz super wichtig - schön]. insgesamt werden es über 1,400 begegnungen sein.

Day 40 (08 min) | Day 52 (47 min) | Day 68 (164 min)
Day 22 (17 min) | Day 51 (04 min) | Day 72 (11 min)

jede einzelne minute ist dokumentiert; abramovićs körper wird öffentlich und seine bedürfnisse und versorgungsmechanismen diskutiert (den windelspekulationen wird das konzept eines straff geplanten schlaf- und trinkrhythmus entgegengehalten - offenbar ist all das von großem interesse: everything comes down to pee) - der körperliche grenzgang wird sichtbar am transpirierenden gesicht unter ausschließlich künstlicher lichtbestrahlung, an dem sich endlos ausdehnenden krümmen und beugen von rücken und kopf.

aber - und das ist das eigentlich bemerkenswerte - im vielfachen sehen und angesehen werden entsteht ein dialektisches system der blicke; und: nicht nur sie saß, es saßen alle. ein gegenüber blickt ein gegenüber an - blickt zurück - wird beobachtet, fotografiert, gefilmt, festgehalten. bis jetzt: immer noch angeblickt - blickt zurück. präsenz in jeder hinsicht, rezeption ist produktion ist performance ist direkt und persönlich konfrontiert.
die aktion ist spiegelfläche, voyeurismus, selbstkasteiung - doch auch im positiven: begegnung, innehalten, veränderung und kontinuität in der zeit. vielfach wurde schlussendlich auch dankbar das gefühl von verlässlichkeit rezipiert: wenn man sich in drei monaten auf eines verlassen konnte, dann darauf, dass abramović im moma saß -

Stefan Lochner, Maria im Rosenhag, 1448 |
Marin Schongauer, Maria im Rosenhag, 1473


- wie das amen im gebet. hagiographisch daher auch häufig die berichterstattung. aber das ist wiederum nichts, was nicht bei abramović angelegt wäre: es fehlt nicht an religiöser symbolik der selbstinszenierung (wenn es eine ist) - farben und gestalt der roben erinneren schnell an marienbilder, als gekreuzigte lichtgestalt erschien abramović schon in "luminosity" (1997), als ritualistische bewohnerin einer triptychonalen mönchsklause in "the house with the ocean view" (2002). im zuge von "the artist is present" bildete sich schließlich eine eingeschworene jüngerschaft die immer wieder kam, fromm saß und die kunde der erleuchtung ins internet trug. gerne zugegeben: abramović braucht neben dem zuseher doch auch immer noch sich selbst als subjekt und objekt der performance. und trotzdem & deswegen heißt es in ihrem performance manifest "an artist should not make themselves into an idol". dieser spagat ist ihr auch unbedingt zuzutrauen, die aktionen sind jedenfalls mit unglaublicher intelligenz und strenge geplant und durchgeführt. eine andere folge daraus: in der ausstellung rundum das spektakel wurden alte performances von re-performern nachgestellt: deutlich scheint es abramović nun also vor allem um die be-erbbarkeit der performance und um die auflösung der ursprünglichen symbiose mit dem performer zu gehen. what happens if the performer dies? wie werden handlung, haltung, aktion und idee zitier- und neu interpretierbar? 2012 soll für die beantwortung dieser fragen das marina-abramović-institut in upstate new york eröffnet werden - hoffentlich lernen die schüler dort sachen wie diese:


Marina Abramović + Ulay, AAA - AAA, 1978


Marina Abramović + Ulay, Rest Energy, 1980

eine absolut eindringliche empfehlung an dieser stelle: den gemeinsamen performances von abramović und ulay nachgehen! auf der suche nach dem dritten selbst zwischen sich, oder der hermaphroditischen symbiose haben sie unter anderem noch so wunderbare dinge wie "breathing in/breathing out" (1977) gemacht: von einem mund in den anderen über 15 minuten lang bis in die bewusstlosigkeit atmen. symbiotischer lungenzustand. aaa - aaa!

und dank eigener restenergie noch ein paar nachsätze:
an artist should not make themselves into an idol.
an artist should not make themselves into an idol.
an artist should not make themselves into an idol.
sagt marina in ihrem performance manifest dreimal, und hätte otto einmal bedenken sollen. der appellative schlussgedanke geht nämlich in eine ganz andere richtung: ich werde nicht in die otto muehl ausstellung gehen, so schmeichelweich sie auch kuratiert sein mag. punkt. die muehl recherche hat eine andere nacht in anspruch genommen und damit ende. pfeilschuss.
und die krystufek ist doof. ha.

2010-06-16

rotten to the GORE

weil sie alle überall so herumbluten (aus aktuellem wm piqué anlass), hier jetzt auch: ruckedigu. people (inklusive mir) looking at blood. [aktualisierung einer nitsch-analyse von 2009]

am anfang steht zumeist eine wunde und damit schon ein ideelles leitbild: caravaggios ungläubiger thomas und mein lieblings emblem (geklaut von mieke bal 2001 - darauf gestoßen durch edith futscher) für forensisches interesse und thematisches - so heißt dann auch bals artikel - "auf die haut, unter die haut" gehen. darunter nämlich finden wir das, was uns in verschiedensten (pop)kulturellen phänomenen und künstlerischen zusammenhängen wiederum von allen seiten anschwemmt:
das blut.

Caravaggio, Der ungläubige Thomas (Detail), 1602 |
Caravaggio
, Die Enthauptung Johannes des Täufers (Detail), 1608

caravaggio sei nicht zuletzt auch in hinblick auf seine 'enthauptung johannes des täufers' genannt: die einzige signatur caravaggios (soweit mir bisher bekannt) ist hier quasi mit dem blut des johannes ausgeführt - was natürlich nur rote farbe ist, suggeriert ein blutiges siegel, ein 'hinüberlangen' der realität des malers in die realität des bildes, in die blutlache des johannes.

blut als [entäußerte] realität per se.

damit ist die wunde offen, das blut also bereits am fließen und ganz zentral muss nun nitsch angedacht werden: wie caravaggio ist nitsch erforscher und regisseur der komplexität von realität - in seinen synästhetischen blut-inszenierungen wird sensuell, malerisch und theatralisch ein ambivalentes spektrum von mystischer religiosität und akutem realismus eröffnet. die aktionen beginnen klinisch weiß, als spiegelnde grundlage einer gesellschaft, deren äußere grenzen mit dem blutroten niederschlag aufbrechen. zentral ist dabei immer das blut als realität per se, das das wort als bloßen vermittler von realität entlarvt und ersetzt (in frühesten fassungen waren nitschs orgien und mysterienspiele ausformulierte theaterstücke, die aktion und damit das blut ersetzten schließlich den text). in verbindung mit messgewand und monstranz wird das blut bei nitsch aber auch - in beinahe gegenläufiger bewegung - zum auratischen bedeutungsträger christlicher tradition.

Hermann Nitsch, das orgien mysterien theater,
122. Aktion im Burgtheater, 2005


weitere ambivalenzen wären noch: exzessive inszenierung des kadavers einerseits, opulente feier des lebens und der ornamentale einsatz von menschen- und fleischmassen andererseits. und: die aufbrechenden grenzen: innen und außen werden unbestimmbar, wenn geöffnete tierkadaver auf passive akteure gelegt und stellvertretend ausgeweidet werden, bzw. aktive akteure sich ganzkörperlich in einen stierrumpf einsetzen lassen.
nitsch provoziert mittels schockeffekt ein treten an die 'ekelschranke' und wirkt somit der verdrängung der tiefe und intensität des empfindungsspektrums durch die zivilisation entgegen. akteure und rezipienten schließen an elementareindrücke einer archaischen vorzeit an, blutige 'entäußerung' ermöglicht zugang zum innersten, es geht - so nitsch 1998 - um "das wesen unserer fliessenden substanz, die sich auf das leben genauso wie auf den tod bezieht, die aufbau, zerstörung und auflösung gleichzeitig ist.“
[2005 war ich teil des chors (also quasi-akteurin) - sah selbst das eincellophanierte burgtheater und 8 stunden blutfluss. unsere cluster-sound-kulisse glich mal schreien, mal atonalen chorälen - und eigentlich habe ich gerne gegen die nitschschen elementareindrücke angesungen. es war tatsächlich ein kraftakt, tatsächlich eine grenzabschreitung und - so distanziert und unpathetisch ich das sagen kann - irgendeine form der entäußerung]

people looking at blood.

weder blutfluss noch -durst sind bislang gestillt, also weiter im text: blut scheint realitätssignal zu sein und realität etwas perzipierenswertes. obviously. nicht so obviously aber in hinblick auf nahezu hyperrealismen wie meatgrinder accident fotos auf rotten.com oder den mann, dem ein gurkenglas im anus zerbrach, der dies filmte und mit 2girlsand1cup-erfolg online stellte. aus dem 'sicheren' kunstraum herausgenommen liegt es nahe, andere rezeptionsmaßstäbe anzulegen. bei nitsch noch als katharsis verkleid- und argumentierbar, werden hier leicht voyeurismusvorwürfe laut. (perverse) lust am schrecken, (perverse) lust am leid dann, wenn das wirkmächtige 'kunstwollen' auszuschließen ist. dennoch: obwohl die fotos auf rotten und mr. gurkenglas nicht künstlerische sondern dokumentarische ansprüche stellen, ist ihre rezeption in jedem fall anders als etwa die einer nitsch aktion? ekelschranken, elementareindrücke, akute realitäten werden evoziert und produziert, folgt dadurch auch entäußerung? zugang zum innersten? eine psychoanalytische lesart würde die popularität dergleicher fotos und videos jedenfalls ähnlich erklären.

und ob forensisch oder voyeuristisch-pornographisch - ungemeines interesse am immer dichteren verhältnis von blut und realismus besteht.

noch ein wort zur darstellung: gerade die dramatisch-filmische inszenierung, das fließen des bluts scheint häufig zentral. rinnen, spritzen, quellen, fließen - alles was die gore ecke hergibt - hauptsache es bewegt sich was [diesbezüglich zu empfehlen: der nicht ganz unbedenkliche französische horror-gore-brachialstreifen 'a l'interieur' (2007)]. spannend wird es dann, wenn gore ästhetik einzug hält in gutbürgerliches amerikanisches tv-hauptabendprogramm: zuletzt gesehen dank des amokläufers im 'grey's anatomy' season 6 finale:


ob der amoklauf erst durch zehnmal so viel blut vom geläufigen krankenhaus blut-konserven-handling differenzierbar und glaubwürdig gemacht werden konnte...? oder ob man sich hier doch auf die blutige erfolgsspur von 'true blood' und anderen vampirserien begeben wollte ('private practice' hat mit einem ersten minderjährigen pathologischen mädchenbeißer bereits oh die einflüsse dieser vampirfiktionen auf die jugend angerissen)... sich cineastischen blut-ergüssen bedienend, steht dieser lustvoll voyeuristische umgang für eine neue fernsehästhetik, passt aber ohnehin bestens da hinein.

was bleibt? ana mendietas [nahe an nitsch ließ sie für "death of a chicken" (1972) blut eines huhns über ihren nackten körper rinnen] fotos der serie "people looking at blood" (1973) als sinnbilder. sie zeigen passanten, die mehr oder weniger irritiert an einer blutlache vorübergehen. so wie dieser blogeintrag.

Piqué, WM Spanien - Honduras, 2010 | Ana Mendieta,
People Looking at Blood
, 1973


wichtiger nachsatz: die fifa hat für all das blutvergießen kein verständnis: die aktuellen fifa spielregeln (2009/2010) besagen: "ein spieler mit blutender wunde hat das spielfeld zur behandlung zu verlassen. [...] das tragen blutverschmierter kleidung ist verboten" - während der wm musste englands verteidiger glen johnson deshalb auch schon nach blutspritzern auf der weißen weste schnell das trikot wechseln, doch als zuletzt piqué im spiel gegen honduras blut spuckte, nützte kein reglement vor der schnellen medialen verbreitung der 'entäußerung'.

und noch ein nachsatz: mario urban hat mich eben auf zwei musikvideos hingewiesen die auf unterschiedlichste weise mit dem medium blut umgehen: das musikvideo von helgi jóhannssonzu zu berndsens 'supertime' in dem gewalt und glück in satirisch/magisch(unheimlich?)-ambivalenter weise verwachsen. und das video von kamisol zu 'hot chocolate + polar bear rug' der super viral brothers: eine "geburt" der band darstellend steigert sich eine ebenso satirisch angelegte bildwelt in ausufernd-drastische gore ästhetik.

"blut ist ein ganz besonderer saft" (mephisto in faust I). dass hier nach aller annäherung doch keine analyse [dialyse] stattfinden konnte sei nach anne von der heiden vielleicht mittels foucault verständlich gemacht: "vielleicht ist das blut im spannungsfeld von macht, bio-politik, kunst und kultur mit michel foucault als eines jener zentralen dispositive der (post-)moderne zu begreifen, das gerade aufgrund seiner anhaltenden wirkungsmacht den horizont für eine genaue analyse verstellt." (2002)

2010-06-11

all the bad gaga girls

Lady Gaga, Still aus dem Musikvideo zu "Telephone", 2010 |
Barbara Kruger, Your body is a battleground, 1989


"you've been a very very very bad girl, gaga" sagt beyonce in telephone. word. sie hat so tief in die diskurstöpfe gegriffen und kräftig umgerührt, dass mir die kochtopfmetapher schon seit tagen unangenehm im hals steckenbleibt. mal schnell hübsch eloquent das phänomen lady gaga erfassen geht nämlich gar nicht, so badass haben sie und ihr kreativteam haus of gaga ideen von performativität, subjektphilosophie und gender(de)konstruktion mainstreamtauglich und dissertationsfüllend gemacht.
es wäre so viel zu sagen und ist gleichzeitig so viel gesagt worden (ausgezeichnet ausführlich und wissenschaftlich unter anderem auf gagajournal.blogspot.com oder über gender parody, product placement und lesbische (stereo)typen im musikvideo zu telephone: katrin horn: performance und pulp ), dass hier gerade einmal der kruger vergleich und das nachdenken über [weibliche] körper als schlachtfelder und crime scenes halbwegs originär stehen bleiben kann. dabei bleibt es bei einer hingeworfenen idee und einem verweis auf eine dritte: maria lassnig. bei der mumok ausstellungseröffnung 2009 machte sie es gaga nämlich vor:

Maria Lassnig, Eröffnung MUMOK, 2009 | Maria Lassnig, Du oder ich, 2005

badassness verkörpern diese großartigen künstlerinnen wirklich. befreiend und richtig intelligent. fernab von plumpen i-kissed-a-girl-katyperries und viktorianischen i-saved-the-best-i-had-for-you-lena-meyer-landruts singt und performed lady gaga ein längst schon ausständiges frauenbild in die geschlechtskategorien der ö3hörer.
die eigene stilisierung zur befreienden grenzgängerin für ihre fans - zur selbstdarstellenden totemfigur [über amy winehouse hatte das the guardian 2007 festgestellt - einleitend übrigens folgende sätze: "amy winehouse has been a bad girl. a very bad girl"] - ist da bestimmt noch die am kritischsten zu bewertende position. und dann kann man auch warnend den akademischen zeigefinger ob der holzhammer-warhol-marketing-methoden heben, aber irgendwie macht das auch nicht glücklicher. das subtilitäts-damoklesschwert gehört abgehängt, schön brav sind nur mehr heidis topmodels.
nur einer ist das ganze viel zu bad geworden: tila tequila warnt als abgedrängte bi-dumpfbacke vor den dämonischen qualitäten gagas. was sie aber gut erkannt hat: "they [...] say it's “ART” but really, it's to mindfuck you".

nicht literatur. genderdisku[r]swerfen einer po[e]s[i]e

[fleischbeschauberichterstattung mit un- und durchfall und getuschten back- and forthlashes]

[posen-onomatopo[e]s[i]e: heidis surround sound küsschen - mpfoah mpfoah]
["jetzt könnt ihr noch 20 sekunden spaß haben"]

folgendes.
wenn wir uns heute nicht verzappen, laufen sie in köln. 3 models für 50.000 nichtmodels im tschömany finale in köln. auf anderem kanal andere für 30.000 andere bei der wm eröffnung in soweto.

genderdiskursforschung treubleibend beginnen wir bei den weiblichkeitsausverhandlungen.
anstoß.
heidi wird angekündigt als deutschlands
erfolgreichster -
schönster -
fröhlichster -
[put a ring on it] -
EXPORTARTIKEL
!!!!
TOR! 1:0 für otto weininger, wunderschön, wie das hier schon beginnt.
[und in sachen IT-girl semantik erschließt sich ein völlig neues feld]

zu baby get shaky after school ooh ooh there you ooh there you baby go crazy break the rules ooh ooh there you ooh there you go go go go go go ooh there you go dackelt heidi mit pudelfrisur übers feld, jodelt superfröhlich nach links und rechts, und erinnert im stehen dann doch frisurentechnisch an alice schwarzer.
wie verhalten wir uns dazu? die schiedsrichterin reagiert humorlos, sieht rot und gibt gelb.

nächste chance: jorge "laufstegtrainer" genderfuck. oder vor palatalem frikativtraining [chhhhhhhchhhhhhchhhhhhh]: "horhe highheels".
vorwärts rückwärts seitwärts hüpft tänzelt stackst quicksteppt phallusträger langhaar auf stöckelschuhen nun wie ein silberfischch[chhhhchhhchhh]en aufs feld.
... heimlich gelüstet es allen nach fallen ...
und dann - gerade als die kamera sensationslüstern auf seine hacken zoomt - fällt der laufstegtrainer tatsächlich aufs feld. zweimal. oi. der vorfall wird nicht weiter kommentiert, aber wir haben alle vor glück in unsere jogginghosen ejakuliert. erstens reimt sich das, zweitens ist es deshalb wahr, und drittens ist jetzt die frau im mann zu boden gegangen.
also TOR eigentlich. 2:0 für eva her[r]man[n].

nach 15 min damit die erste unterbrechung. 10 min knöchel verarzten, chips auffüllen, fernseher verschrotten. das gibt eine saftige nachspielzeit.

also nach südafrika in ein anderes stadion gezapped. selbe euphorie, besserer ton. gerade wird gutmenschentum zelebriert. education beats poverty. education for all. also zeit um über bildungsaufträge und fernsehformate nachzudenken. gottseidank röhrt fergie rechtzeitig ins mikro. where is the lah the lah the lah. erschreckend ungeil. also: back-zap.

dort gerade interviewte mas[sen]turbation: die drei models bleiben aussagefern, streicheln ausschließlich die bäuche der zuseher - "ihr seid so toll leute", "das liegt wohl am publikum". so macht sich auch bei mir das wohlige gefühl von bedeutsamkeit breit - "woohoo" ich bin dabei!
und doppelt zufrieden klopfe ich mir auf die schulter als mir der überkritische postpostpraefeministische gehalt dieses livetickers bewusst wird. was für ein spiel. nach einer vollen dröhnung clever stracciatella bedeutet das irgendwie TOR für mich. 2:1 mittels zwittriger blog-posen. die hoffnung lebt -

- und ist ganz schnell wieder ganz tot. monrose treten in der westlichen burka version auf: weißer ganzkörperanzug nur um den busen ausgeschnitten und genau dort schwarz eingerahmt. TOR TOR TOR. 5:1 für lena meyer-landruth und katy perry und freddy nietzsche. davor dazwischen und danach der noch niemals glaubwürdige heidislogan "und habt spaaaaaaaaaß".

[kritischer reality tv exkurs]
und während eine schärdinger diätkäse werbung eingeblendet wird, rührt sich der clever gouda in meinem darm und der liveticker muss erstmals in seiner geschichte unterbrochen werden. es geht nicht mehr. durchfall. intellektuell und wirklich.
[/kritischer reality tv exkurs]

ich hatte also spaß; zurück am fernsehgerät sagt heidi BLEIBEN SIE DRAN BIS GLEICH. ey. wir bleiben DIE GANZE ZEIT DRAN EY.
zap.
irgendjemand singt schon wieder und einmal ist der pariasek still. einmal einmal. toll.
zap.
zap.
zap.
zap.
zap.

... und nach gefühlten und manifesten stunden stehen heidi und die zwei restmodels vor dem sich orakelhaft aufbauenden cosmopolitan cover. WER wird germanys next topmodel? WER ist sie? WER WER WER?
--- heidi beschwört die lcd wand.

... WIR sind HEIDI!
ÖSTERREICH IST TSCHÖMANY'S NEXT TOPMODEL!
pluralis maiestatis und cordoba am laufsteg in einem.
kann das die bildzeitung bitte jetzt kommentieren? headlinermäßig? danke.

danach immer keine worte sondern viel glitzerkonfetti.

und hier fühlt sich das jetzt eigentlich doch wie ein 6:1 an. für heidi nämlich. denn jetzt hatte ich mich doch kurz gefreut. ups.

habt ihr alle spaß gehabt?
ja, 20 sekunden.

nachtrag: zu heidi als exportartikel ein eben gefundener spiegel artikel von 2008: "weltmeister deutschland. die globale schönheitskönigin."